FRIEDER HOFMANN I POSITIONEN I PUBLIKATIONEN I PROJEKTE

Moskauer Erinnerungen 1

Beitrag zum 40. Diplom-Jubiläum am Moskauer Architekturinstitut. 
In: Skryljow/Suetin (Hrsg.) „Love Story oder 148 Seiten über die Liebe“ Moskau 2014 

Unser Architekturstudium am MArchI

Das Moskauer Architekturinstitut (MArchI*) war für mich, so sehe ich das auch heute noch, ein echter Glücksfall. Das MArchI ist in den 1920er Jahren aus den WCHuTeMAS (den „Höheren Künstlerischen und Technischen Werkstätten“ hervorgegangen. Die barockblaue Fassade des Hochschulgebäudes in der damaligen Shdanov- Straße hinter dem Kinderkaufhaus „Detskij Mir“ und dem Hotel „Berlin“ (heute wieder "Savoij") war schon 1968 stark sanierungsbedürftig. Sie ist es auch heute noch. Vor dem Gebäude befindet sich ein kleiner Vorplatz mit einem Springbrunnen, aus dem ich während meiner Studienzeit in Moskau nie Wasser sprudeln gesehen habe. Erst in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre bekamen wir von unseren Freunden die stolze Nachricht, dass im Zuge der Erneuerung des Instituts-Vorplatzes nun endlich auch der Spingbrunnen wieder 2arbeiten" würde und die Fontäne in Betrieb genommen worden sei ...
 
In den 60er Jahren war das MARCHI eine international gefragte Adresse. Mit uns studierten Kommilitonen aus südamerikanischen, afrikanischen und arabischen Ländern wie auch Zeitstudenten aus Ost- und Westeuropa. Für sowjetische Studenten war der Hochschuleintritt schwierig und oft nur nach mehreren Anläufen und Vorbereitungskursen erfolgreich. Unsere sowjetischen Kollegen waren deshalb oft älter und besonders in den künstlerischen Disziplinen wesentlich besser vorbereitet als wir. Wir, die wir durch bilaterale Staatsverträge auf unsere Studienplätzen „gesetzt“ worden waren, hatten nicht eine solche künstlerische Vorbildung. In den naturwissenschaftlichen Fächern standen wir den russischen Studenten aber nicht nach. Nach einer 3-tägigen Zeichenprüfung, als unsere „Werke“ dem Rektor der Hochschule vorgelegt wurden, meinte dieser in gutem Deutsch: „Naja, ess gehtt!“. 
Was unser Studium aber zu dem oben erwähnten Glücksfall machte, waren die Professoren und Dozenten, die zum Teil schon zu Zeiten des sowjetischen Konstruktivismus am MArchI tätig waren. Diese Architekten und Ingenieure, die als junge Leute die große Zeit der konstruktivistischen Architektur erlebt und mitgeprägt hatten, lehrten mit einer für ihr Alter enormen Kompetenz und Intensität und lebten uns damit vor, was einen vielseitig gebildeten und gesellschaftlich aktiven Architekten auszeichnet. Deshalb besaßen sie den tiefen Respekt, die Achtung, ja die Liebe ihrer Studenten.

Ich habe mich später oft gefragt, warum die DDR ihre Architekten ausgerechnet in der Sowjetunion ausbilden lassen musste. Einer der Gründe war sicher, dass es diese Art der Fachausbildung in der DDR so nicht gab. Auch war klar, dass das in Moskau erworbene Fachwissen, nicht zuletzt durch die Umstände, unter denen es erworben wurde, zu selbständigem Denken und Charakterstärke erzog. Wenn die für unseren Studieneinsatz Verantwortlichen das beabsichtigt hatten, so sind sie wirklich für ihre Voraussicht zu loben. Wenn es dabei aber um eine spätere Funktionärslaufbahn ging, so waren wir dafür nicht zu gebrauchen. So hat ein ehemaliger SU-Absolvent, als er in einem Film des DDR-Fernsehens gefragt wurde, was er in der Sowjetunion gelernt hätte, auch ganz richtig geantwortet: „Zu viel, mein Freund, für die DDR zu viel...“.

*) Das Moskauer Architekturinstitut (MArchI) ist eine russische staatliche Architekturhochschule, die im Jahr 1933 als Nachfolgeeinrichtung der WchUTEMAS (der Höheren Künstlerischen und Technischen Werkstätten) gegründet wurde. Ein Studium am MArchI dauerte damals 5 ½ Jahre, davon 2 Jahre im Grundkurs, 3 Jahre an einer der Fachfakultäten (Stadtplanung, Wohnungs- und Gesellschaftsbau, Industriebau) und ein halbes Jahr zur Bearbeitung der Diplomarbeit (Bartetzky/Karpf/Paulsen „Architektur und Städtebau in der DDR – Stimmen und Erinnerungen aus vier Jahrzehnten“ / Verlag DOM publishers Berlin 2022) 

Dr.-Ing. Architekt Frieder Hofmann 
gpfhofmann@parus-le.de    

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Aktualisierung: Januar 2024 

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