FRIEDER HOFMANN I POSITIONEN I PUBLIKATIONEN I PROJEKTE

Zur 1. Leipziger Volksbaukonferenz

Zum Beitrag "Schrei nach Veränderung" über die 1. Leipziger Volksbaukonferenz 1990 im "Deutschen Architektenblatt" 01/2015; Veröffentlichung nach einer Diskussion mit der DAB-Redaktion auf DAB Online:

www.dabonline.de/2014/12/22/schrei-nach-veranderung-ddr-baukultur-neu-geschichte-volksbaukonferenz-leipzig/

Es ist bedauerlich, dass dem DAB zum 25. Jahrestag der "1. Leipziger Volksbaukonferenz" nichts besseres eingefallen ist, als alte Klischees zu reproduzieren. Um ihre Zielsetzungen und Ergebnisse heute einem breiteren Interessentenkreis nahe zu bringen, hätte diese denkwürdige Veranstaltung eine sachlich und fachlich fundierte Würdigung verdient. Einer sorgfältigen Recherche wäre dabei sicher die Festschrift zum 1. Architektentag der Architektenkammer Sachsen aus dem Jahr 1995 aufgefallen, in der der Publizist Wolfgang Kil die Konferenzergebnisse wie folgt analysierte:

Heutige Pragmatiker und Realisten werden die dort von Architekten formulierten Vorschläge für einen Umbau der Planungshierarchien, der industriellen Produktionsbasis und der Auftraggeberschaft als naiv belächeln. Aber ich hoffe, künftige Historiker werden einen Wert dieser Veranstaltung als bleibend erkennen: Es war der letzte tief ernst gemeinte Versuch, die Architekten als Gesamtverantwortliche für sämtliche gebauten Lebensumstände anzusprechen und in die Pflicht zu nehmen. Es war der letztmalig öffentlich artikulierte Anspruch, Architektur als GRUNDSÄTZLICH SOZIALE Verpflichtung zu begreifen, als ganzheitliche Umweltkultur unter Einschluss von Ökonomie (also Sparsamkeit) und Ökologie (also Bescheidenheit) und somit als Anliegen von gesamtgesellschaftlichem Rang. Und zum letzten Mal wurde über die Chancen von Planung diskutiert, jenseits der heute alles entscheidenden Prämisse: Wem gehört der Boden?! Ein Luftschloss, wir wissen es inzwischen, wie so viele errichtet wurden in jenen wilden und phantasiereichen Tagen. Und doch möchte ich darauf beharren: Architektur in Sachsen nach der „Wende“ begann mit einem letzten Griff nach der Utopie.“ (Aus: Wolfgang Kil: "Fünf aufregende Jahre - Versuch einer Bilanz" / Architektenkammer Sachsen, Materialien zum Architektentag 1995)

Zur weiteren Entwicklung des Planens und Bauens im Osten schrieb Wolfgang Kil 1995:

Die nachfolgende Wirklichkeit hat alle hochfliegenden idealistischen Ansätze aus dem Blickfeld gedrängt. Die im Januar 1990 dabei waren, sich voller Elan zu emanzipieren, gerieten kurz darauf neuerlich in die Defensive.“

Auch die damaligen "Revolutionäre", wie sie vom DAB genannt werden, haben sich inzwischen in der heutigen Realität eingerichtet. Ein markantes Beispiel ist die 2012 fertiggestellte Neubebauung des Leipziger Brühls. Aus "Sachzwängen" heraus wurde hier die einmalige Chance vergeben, einer Top-Innenstadt-Lage mit heutigem Geld, modernen Baumaterialien und Betreibervielfalt zu einer Renaissance der historischen städtebaulichen Identität zu verhelfen. Der ehemalige Leipziger Planungsamtsleiter Wolfgang Kunz beschreibt das Ergebnis und nennt die Ursachen: 

"... Stattdessen bekommen wir nun eine flache Kiste. Es waren gewiss keine städtebaulichen Gründe, die dafür gesprochen haben, sondern die wirtschaftlichen Nöte der LWB (der städtischen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft. Ho.), die das Grundstück möglichst teuer verkaufen wollte..." (Aus: "Leipziger Volkszeitung v. 14.10.2011).

Der im DAB-Beitrag mehrfach erwähnte Wolfgang Hocquel, bis 2008 oberster Denkmalschützer des Regierungsbezirks und in Leipziger Architektenkreisen für seine einseitigen Sichtweisen bekannt, redet das städtebauliche Desaster in seinem eigens verfassten "kunsthistorischen Konzept" schön, demzufolge man "in einem hochmodernen Shoppingcenter auch auf Spurensuche gehen kann, um etwas über die Vorläuferbauten aus den verschiedenen Epochen zu erfahren" (Aus der Werbebroschüre "Die Höfe. Die neue Shoppingwelt im Herzen der Stadt" ; mfi Immobilien Marketing GmbH 2012). Leipzig, eine reine Erfolgsgeschichte? - An solchen Orten wohl eher nicht. Der Ausspruch vom Schwarzbrot und der Sahnetorte der Denkmalpflege, mit dem mein Architektenkollege Dietmar Fischer so verächtlich zitiert wurde, erscheint mir in diesem Licht gesehen auch heute noch hochaktuell. Er entstammt einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" vom 1.12.1989 und lautet im ungekürzten Original:

"Seit jeher ernährt sich die Menschheit von Schwarzbrot und nicht von Sahnetorte. Ich bin für eine funktionstüchtige Stadt - auch mit Sahne. Wie viel Sahnetorten wir uns leisten können, werden wir sehen." 

Allerdings ist dieser Ausspruch nicht von Dr. Fischer, sondern von mir.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr.- Ing. Frieder Hofmann
Freier Architekt, Leipzig
Mitglied der Architektenkammer Sachsen

Dr.-Ing. Architekt Frieder Hofmann 
gpfhofmann@parus-le.de    

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Aktualisierung: Januar 2024 

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