FRIEDER HOFMANN I POSITIONEN I PUBLIKATIONEN I PROJEKTE

Das Geschäftshaus Markt 11 in Halle - Denkmalsanierung vs. Totalentkernung

Aus: Frieder Hofmann „Die Besten in den Osten“ / Erinnerungen und Anekdoten 2014

Ein weiteres interessantes Vorhaben war die Sanierung des Gebäudes Markt 11 in Halle, einer Immobilie der Commerzbank AG, für die man mir 1998 die Ausführungsplanung übertrug. Unser Auftraggeber war die Leipziger Niederlassung der Heilit+Woerner AG, mit der wir in der Vergangenheit schon an anderen Objekten erfolgreich zusammengearbeitet hatten. Dabei konnten wir feststellen, dass die Mitarbeiter dieses Unternehmens bei der Ausführung der ihnen übertragenen Leistungen nicht nur eine hohe Fachkompetenz an den Tag legten, sondern darüber hinaus auch einen sehr angenehmen Umgangston mit ihren Geschäftspartnern pflegten. Demzufolge lief es nicht nur fachlich gut, sondern die Arbeit machte auch noch richtig Spaß.
Dabei war der „Markt 11“ kein leichtes Objekt. Als dritter Teil eines Ensembles der Commerzbank bildet das Gebäude eine der raumbildenden Ecken des Hallenser Altmarkts. So stand das Vorhaben als Baustelle immer im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Leider konnte man die frühere Schönheit nur noch erahnen, denn sowohl das Dach als auch die Sandsteinfassade mit ihrem sehr schön detaillierten Eckerker waren in einem mehr als desolaten Zustand. Innen sah es nicht viel besser aus, zumal die DDR-Staatsbank (als früherer Eigentümer) keinen Gedanken (und keine Mark) an eine denkmalgerechte Erhaltung des Objekts verschwendet hatte. 
Aber auch die Sanierungsplanung des Entwurfsplaners, eines Düsseldorfer Architekten, sah nur eine der damals üblichen Standardlösungen vor. Sein Vorschlag, das Gebäude komplett zu entkernen, das noch gut erhaltene gründerzeitliche Treppenhaus abzubrechen und einen gläsernen Aufzug anzubauen, erinnerte an das Vorgehen der Kölner Planer beim „Specks Hof“ in Leipzig (vgl. https://www.parus-le.de/nachwende-jahre-in-leipzig) und hätte den Verlust der architektonischen Identität des Gebäudes bedeutet. Das galt es zu verhindern, was uns mit der freundlichen Unterstützung des Commerzbank-Controllings (das unsere Änderungsvorschläge genehmigen musste), der Kompetenz der Baustellenleitung von H+W, dem guten Willen des Hallenser Bauordnungsamtes und durch die engagierte Arbeit meines Planungsteams auch vollumfänglich gelang. 

Die Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde konnte ich sofort begeistern, denn dort war man schon immer gegen den Düsseldorfer Entwurf gewesen. Der größte Widerstand kam vom Entwurfsplaner selbst, der sich in seiner Autorität angegriffen fühlte. Doch das war nicht nur ein Ost-West-Konflikt. Der Düsseldorfer Architekt – ein Mann von kleinem Wuchs – kam zur ersten Baustellenbesprechung zu spät. Die Heilit+Woerner-Leute, die sämtliche Baupläne schon auf Augenhöhe an der Wand befestigt hatten, mussten sie ein Stück tiefer hängen, damit auch er sie in Augenschein nehmen konnte. Dass er dabei feststellen musste, wie wir sein Konzept umgeworfen hatten, war kein guter Start für eine gedeihliche Zusammenarbeit. Doch nicht allein deshalb sind wir uns später aus dem Weg gegangen. Auch bei anderen Projekten hatte ich schon erlebt, dass mancher westdeutsche Kollege auf fachliche Einwände empfindlich bis ablehnend reagierte und sich gegenüber anderen, besonders ostdeutschen Meinungsäußerungen, als beratungsresistent erwies.
Am "Markt 11" waren die „Fronten“ aber klar, denn ich hatte ohnehin öfter als er auf der Baustelle zu tun, zumal die "Tücken des Objekts" nicht selten schnelle Entscheidungen erforderlich machten. So führten Bestimmungen des Denkmalschutzes dazu, dass eine Reihe von Planungsdetails, wie die Dachbekrönung, die Gaupen, das Treppenhaus und die Deckengestaltung im Eingangsbereich individuell mit Hand gezeichnet werden mussten. Hier konnte ich nicht nur meine Studienkenntnisse über historische Gesimsprofile und Pilaster anwenden - für die Turmspitze des Eckerkers durfte ich sogar die einzige Wetterfahne meiner beruflichen Praxis entwerfen. 
Anlässlich des „Knopffestes“ wurde diese Wetterfahne mit großer Zeremonie und im Beisein einer Abordnung der Halloren-Gilde auf die Erkerspitze aufgesetzt. Dem besonderen Anlass entsprechend war ein Mobilkran mit einer Montageplattform auf den Markt gebracht worden und ich nutzte die gebotene Möglichkeit, „unser“ Haus von oben vor dem Hintergrund der Halleschen Stadtsilhouette abzulichten. 

Wer gut arbeitet, soll auch ordentlich feiern, und so fuhren die geladenen Gäste anschließend in einer historischen Straßenbahn zum Reileck, wo man im Gasthof „Schaad“ (der "Ponybar" meiner Studentenzeit in Halle!) bei Bier und Pferdesteak den gemeinsamen Erfolg der Sanierung nochmals Revue passieren ließ. 
Natürlich wurden der Bauverlauf und alle Details, nicht nur zur Erinnerung für Architekten und Bauunternehmen, sondern auch als Vergleichsmaterial bei der Dokumentation eventuell später am Bau auftretender Schadensbilder fotografisch festgehalten. Auf diese Weise bin auch ich in den Besitz eines umfangreichen Fotoarchivs der von mir geplanten Objekte gekommen. Für ein Bauunternehmen war es aber eher ungewöhnlich, die eigenen Objektfotos in Büchern zusammenzufassen, um sie später Geschäftspartnern zum Geschenk zu machen. Die Bauleitung von Heilit + Woerner hat das mit sehr viel Mühe und Sorgfalt getan, so dass auch ich in den Besitz einiger dieser Kostbarkeiten gekommen bin.

Ein Element der historischen Marktbebauung konnte im Zuge des damaligen Bauvorhabens leider nicht wieder hergestellt werden. Es handelt sich um ein Eckhaus am früheren "Trödel", dem vormaligen Hotel "Börse", für das der Kölner Architekt van den Valentyn einen Ideenentwurf geliefert hatte. Der von ihm skizzierte Turmbau erregte aber das Missfallen des damaligen Hallenser Oberbürgermeisters, der ihn mit den Worten: "DAS kommt mir nicht in meine Gute Stube" ablehnte. Auch die Investorenseite sprach sich gegen eine Realisierung aus, denn mit seiner Grundfläche von ca. 100 Quadratmetern und maximal sieben Geschossen war der "Turm" recht klein und schwer zu vermarkten. Leider ist die vollständige Bebauung der Markt-Westseite nach historischem Vorbild damit unvollständig geblieben. Auch der heftig umstrittene Plan einer Wiedererrichtung des aus dem 16. Jh. datierten Alten Rathauses, die den Halleschen Marktplatz um ein Drittel verkleinert hätte, wurde schließlich nicht realisiert.

Dr.-Ing. Architekt Frieder Hofmann 
gpfhofmann@parus-le.de    

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Aktualisierung: Juni 2025 

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